WirtschaftsWoche: Herr Schwedler, Deutschland, lange Zeit für seine Ingenieurskunst und als Exportweltmeister quer über den Globus geschätzt, fällt im internationalen Vergleich zurück. Wie konnte das passieren?
Christian Schwedler: Wir haben uns zu sehr in der Komfortzone, der Effizienzfalle, eingerichtet. Wir beherrschen alle das Kerngeschäft, arbeiten optimal, stellen Kunden zufrieden.
Aber das sind doch beste Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg. Woran fehlt es denn?
Am radikal Innovativen. Wir brauchen beide Welten: Kerngeschäft und Transformation. Die haben aber sehr unterschiedliche Eigenschaften und erfordern teils gegensätzliche Arbeitsweisen und Mindsets. Hier Routine, null Fehler, Effizienz – dort Fehlerkultur, experimentieren, unternehmerischer Mut. Wir müssen beides beherrschen.
Genau an diesem Spagat hapert es Ihrer Ansicht nach?
Wir wollen die Transformation vorantreiben, versuchen das aber immer wieder mit den etablierten Arbeitsweisen. Wir kommen gar nicht in den radikal innovativen Modus hinein. Deshalb verlieren wir als Wirtschaftsstandort den Anschluss und deshalb sind viele Manager verunsichert.
Sie schlagen eine Faustformel vor: 70 Prozent des Innovationsbudgets gehen ins Kerngeschäft, 20 Prozent in angrenzende Bereiche, zehn Prozent in echte Neuerungen mit disruptivem Potenzial. Wie unterscheidet man die letzten beiden Kategorien?
Nehmen wir das autonome Fahren! Einerseits immer noch ein Auto, aber die Technologie ist so neuartig, dass experimentiert werden muss. Es ist daher eher im angrenzenden Bereich angesiedelt, also den 20 Prozent, im Übergang zwischen inkrementell und radikal. Aber: Es könnte das Geschäftsmodell der Autohersteller ändern, weil keiner mehr ein Auto kauft und nur wie bei Uber einen Fahrdienst ruft. Das wäre dann ein disruptiver Gamechanger, da liegen wir bei den zehn Prozent. Konzerne könnten den Anschluss verlieren, wenn sie noch nicht einmal in den 20-Prozent-Sektor investieren.
Genau. Wichtig ist, überhaupt das Bewusstsein dafür zu schaffen, dass unterschiedliche Arten von Innovationen unterschiedliche Voraussetzungen brauchen. Dann kann ich auch sagen: Ich verzichte bewusst auf die zehn Prozent. Aber im Moment behandeln viele Unternehmen jede Art von Innovation gleich. Und wundern sich, wenn wenig dabei herauskommt.